Aktuelles

W3-Diskussionsreihe:
Fachkräftesicherung und Future Skills

21.09.2022

Moderatorin Annegret Angerhausen-Reuter (Mitte) sprach mit Simone Konjkav (v.l.), Stefan Schmitt, Anette Kreitel-Suciu, Max Muctar, Lina Höttges und Prof. Dr. Lena Evertz darüber, wie man Fachkräfte von Morgen finden und binden kann. Foto: Dirk Jochmann/Westdeutsche Zeitung
Moderatorin Annegret Angerhausen-Reuter (Mitte) sprach mit Simone Konjkav (v.l.), Stefan Schmitt, Anette Kreitel-Suciu, Max Muctar, Lina Höttges und Prof. Dr. Lena Evertz darüber, wie man Fachkräfte von Morgen finden und binden kann. Foto: Dirk Jochmann/Westdeutsche Zeitung

Der Fachkräftemangel ist bei Krefelder Firmen ein bestimmendes Thema. Das Haus des Wissens und der Wirtschaft lud zur Diskussion, wie die Ausbildung attraktiver wird.

Text: Gordon Binder-Eggert/Westdeutsche Zeitung

Krefeld. Der Fachkräftemangel ist derzeit eines der drängendsten Probleme der Wirtschaft. Eine Lösung zeichnet sich kurzfristig nicht ab, obwohl sich Unternehmen, Wirtschaftsförderungen und Verbände seit längerer Zeit intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. „Fachkräftesicherung und Future Skills" lautete so auch der Titel am Mittwochabend zum Auftakt der Veranstaltungsreihe des neu gegründeten Vereins Haus des Wissens und der Wirtschaft.

Etwas provokativ mag der erste Themenblock des Abends gewählt worden sein: „Weniger Welterklärer, mehr Macher". Die Podiumsgäste aus Krefelder Unternehmen und der Hochschule Niederrhein schilderten zunächst die Vorzüge der Ausbildung. „Aus der Schreiner-Lehre habe ich Grundlagen mitgenommen, die ich im ganzen Leben anwenden kann", sagte Max Muctar, Geschäftsführer der Legno Tischlerei GmbH in Hüls. Sein Wunsch in Bezug auf junge Menschen, die eine Ausbildung beginnen: „Ich wünsche mir mehr Erfahrung mit der Kettensäge statt am Smartphone." Simone Konjkav, Managing Director der IMR Innovative Metal Recycling GmbH, betonte: „Mit einer Ausbildung kann man nichts falsch machen." Eher im Gegenteil. Und auch Lina Höttges, erste Absolventin eines Trialen Studiums an der Hochschule Niederrhein, hielt fest, dass sie nach ihren beiden Ausbildungen zur Fahrzeuglackiererin und Karosseriebauerin wohl eher jemand sei, der anpackt, denn die Welt erklärt, wenngleich sie, ebenso wie ihre Gesprächspartner auf dem Podium, auch einen wissenschaftlichen Bildungsabschluss im Handwerksmanagement in der Tasche habe.

Die Räumlichkeiten der Wohnstätte bildeten einen stimmungsvollen Rahmen für die lebendige Diskussion, ©Tabea Weberskirch / LICHTHALLE KREFELD, Nutzungsrechte: HdWW
Die Räumlichkeiten der Wohnstätte bildeten einen stimmungsvollen Rahmen für die lebendige Diskussion, ©Tabea Weberskirch / LICHTHALLE KREFELD, Nutzungsrechte: HdWW

„Weniger Welterklärer, mehr Macher" – nachdem sich dieses Bild und der Wunsch nach mehr Auszubildenden auf dem Podium immer mehr abgezeichnet hatte, entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit dem Plenum. Hochschulpräsident Dr. Thomas Grünewald eröffnete sie mit der Forderung, man möge Ausbildung und Studium nicht künstlich gegeneinander ausspielen, sondern vielmehr nach Schnittmengen suchen.

Schließlich brächten beide Bildungswege wichtige Qualifikationen für das Berufsleben mit sich. Und viele Handwerker bräuchten inzwischen auch wissenschaftlich basiertes Wissen für ihre Arbeit. Zustimmung erntete er einerseits von Anette Kreitel-Suciu. Sie sagte, Ausbildung und Studium dürften nicht im Wettbewerb zueinander stehen. „Der Fachkräftemangel im Handwerk allerdings ist unbestritten." Hier brauche es Lösungen, das Ziel müsse es daher sein, die Ausbildung attraktiver zu machen. Lösungsvorschläge lieferte die Personalleiterin bei Currenta GmbH & Co. OHG gleich mit. Die Einstellungstests müssten grundlegend verändert werden. „Wenn nach Logik- und Mathetests, noch vor dem persönlichen Gespräch, Bewerber ausgesiebt werden, halte ich das für falsch", sagte sie. Die Person an sich müsse genauso betrachtet werden wie ihre Qualifikationen. Damit junge Menschen sich aber überhaupt für eine Ausbildung entschieden, müsse diese sichtbarer werden, lautete die Forderung eines Auszubildenden aus dem Plenum. Er kritisierte vor allem, dass an den Schulen zu wenig auf die Möglichkeit der Ausbildung aufmerksam gemacht und der Fokus vielfach nur auf das Studium gelegt werde.

Graphic Recording von der Diskussionsveranstaltung, ©Tim Weiffenbach/bikablo.com, Nutzungsrechte: HdWW
Graphic Recording von der Diskussionsveranstaltung, ©Tim Weiffenbach/bikablo.com, Nutzungsrechte: HdWW

Dem wiederum widersprach Chrissoula Tolidou. Sie ist Koordinatorin für das Programm „Zukunft durch Innovation" (zdi-Zentrum KReMINTec) und erklärte: „In den Schulen wird viel Aufklärungsarbeit und Berufsorientierung betrieben." Benjamin Zander (Kreisvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen) verdeutlichte dies anhand eines privaten Beispiels: Sein Sohn gehe auf eine Gesamtschule und habe statt vieler AGs in der achten Klasse sehr viele Praktika unterschiedlicher Länge absolvieren müssen, um den für sich passenden Beruf zu finden. Und trotz dieser Praktika ist der Anteil der jungen Menschen, die am Ende eine Ausbildung absolvieren, verschwindend gering. Bei 7,7 Prozent lag er zuletzt bei Zehntklässlern an den Krefelder Gesamtschulen. Wie kann die Ausbildung also attraktiver gemacht werden? Zum Beispiel, indem klar gemacht wird, dass die jungen Menschen ernst genommen werden, dass sie mitbestimmen dürfen, so der Tenor. Auch der Wert der Ausbildung müsse besser vermarktet werden.

Hier setzte Anette Kreitel-Suciu an: Die Bezahlung müsse besser werden und die Berufsschule auch. Ziel müsse es sein, praxisbezogener zu lehren. Denn die Menschen, die sich für eine Ausbildung entscheiden, wollten auf dem Gebiet ihres Berufs etwas lernen und nicht in Religion oder Sport. Fächer, die in der Berufsschule aber ebenfalls auf dem Stundenplan stehen würden.

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